13.12.2022

Das Restoration Barometer

Wald

Mit dem Tool lassen sich Fortschritte bei der Wiederherstellung von Ökosystemen erfassen. Der Restoration Barometer Report 2022 bietet einen aktuellen Ländervergleich. 

Die Ökosysteme der Erde sind erstaunlich vielfältig. Ein Projekt zur Wiederherstellung eines Ökosystems kann aber nur erfolgreich sein, wenn es diese Vielfalt berücksichtigt und die Möglichkeiten des jeweiligen Ökosystems zur Bereitstellung globaler Umweltvorteile verbessert. Hierzu müssen Wiederherstellungsprojekte regelmäßig überwacht werden. Die Überwachung dient dabei einem wichtigen wissenschaftlichen Zweck: Sie zeigt langfristige Trends auf, die zu neuen Erkenntnissen führen können und hilft zu verstehen, wie Wiederherstellung funktioniert. Aus der Dokumentation lassen sich dann bewährte Verfahren ableiten, die auf andere vergleichbare Wiederherstellungsprojekte angewendet werden können. Die International Union for Conservation of Nature (IUCN) hat ein Instrument zur Überwachung der Wiederherstellung von Ökosystemen entwickelt, das diesen Anforderungen gerecht wird.

So funktioniert das Tool 

Das Restoration Barometer (im Jahr 2016 als Bonn Challenge Barometer eingeführt) ist das einzige Instrument, das derzeit von Regierungen genutzt wird, um den Fortschritt bei den Wiederherstellungszielen zu verfolgen. Das Barometer wurde ursprünglich für Länder entwickelt, die sich im Rahmen internationaler Ziele oder Abkommen zur Wiederherstellung von Waldlandschaften verpflichtet haben. In seiner jetzigen Ausbaustufe bietet es nationalen und subnationalen Regierungen eine Möglichkeit, das Berichtswesen über ihre Verpflichtungen zur Wiederherstellung aller terrestrischen Ökosysteme, inklusive Küsten- und Binnengewässern, zu vereinfachen und zu verbessern, und kann dazu beitragen, die Fortschritte im Hinblick auf die globalen Ziele zu verfolgen und aufzuzeichnen. Diese globalen Ziele umfassen unter anderem die Bonn Challenge, das 30x30-Ziel gemäß dem globalen Biodiversitätsrahmen für die Zeit nach 2020, das Pariser Klimaschutzabkommen und das Neutralitätsziel im Hinblick auf die Bodendegradation. 

Das Barometer ist in der Lage, den Wiederherstellungsfortschritt aller terrestrischen Ökosysteme, einschließlich der Küsten- und Binnengewässer, abzubilden, für die Nutzungs- oder Bewirtschaftungsrechte identifiziert werden können (das heißt: nicht die Hohe See). Maßnahmen zur Wiederherstellung von Ökosystemen werden gemäß der IUCN-Typologie für Wiederherstellungsmaßnahmen für terrestrischen Ökosystemen (RITTE) klassifiziert. Diese baut auf der globalen Ökosystemtypologie 2.0 von IUCN und der Kategorisierung von Ökosystemen im Rahmen der UN-Dekade für die Wiederherstellung von Ökosystemen auf. Sie umfasst vom Menschen geprägte Landschaften wie urbane Räume oder gemischt genutzte Landschaften, die ein bislang ungenutztes Potenzial für eine Wiederherstellung bieten können. In der Weiterentwicklung von RITTE erstellt IUCN nun auch Typologien für Seegraswiesen, Seetangwälder und flache Riffe. Dies bietet Ländern die Möglichkeit, über die Wiederherstellung aller Ökosystemen, vom „Gebirge bis zum Meer“, zu berichten. So wird eine solidere Planung ermöglicht, die die Vernetzung verschiedenster Arten von Ökosystemen berücksichtigt. Gegenüber dem ursprünglichen Waldwiederherstellungsansatz sind Nutzen und Wirkung des Restoration Barometer als zentrales Instrument zur Überwachung von Wiederherstellungsmaßnahmen heute umso größer.

Die Anwendung des Barometers ermöglicht den Ländern, die sich zur Wiederherstellung verpflichtet haben, über ihre Maßnahmen zu berichten und Hindernisse bei der Erfüllung ihrer Zusagen zu identifizieren. Es ist als systematisches und dennoch flexibles Protokoll mit acht Indikatoren strukturiert, die ein umfassendes Bild der Fortschritte eines Landes im Hinblick auf die geplanten Wiederherstellungsmaßnahmen darstellen.

Die Auswirkungs-Indikatoren bieten einen Überblick über die greifbaren Ergebnisse von Wiederherstellungsmaßnahmen. Das Protokoll erfasst die Größe der Fläche, die Wiederherstellungsmaßnahmen unterzogen wird, sowie die entsprechenden Vorteile für das Klima und die Biodiversität sowie den sozioökonomischen Nutzen. Dabei repräsentieren Handlungs-Indikatoren die zugrundeliegenden Faktoren, die eine erfolgreiche Maßnahme zur Wiederherstellung möglich gemacht haben. Es deckt die politischen Rahmenbedingungen und die Förderungsstrukturen ab. Zudem wird deutlich, welche Maßnahmen funktionieren und warum welche Überwachungssysteme zum Einsatz kommen. So bietet es eine Grundlage für eine Ausweitung von Wiederherstellungsmaßnahmen sowie eine Erhöhung der Investitionen in diese Maßnahmen. Basierend auf den Grundprinzipien Flexibilität und Inklusivität kann es auch dann verwendet werden, wenn nicht für alle Indikatoren geeignete Daten vorliegen.

Tadschikistan, Ghana oder Mexiko: Das Barometer in der Anwendung 

Mehr als 50 Länder haben das Barometer befürwortet, und bis heute berichten 22 Länder mithilfe dieses Instruments über den Fortschritt ihrer Wiederherstellungsziele. Auch Organisationen und Vereine aus dem privaten Sektor können das Barometer derzeit nutzen, um über den Fortschritt ihrer Verpflichtungen zur Wiederherstellung zu berichten.

Es gibt ermutigende Anzeichen dafür, dass einige Länder ihre Ziele bereits übertroffen haben. Tadschikistan verpflichtete sich im Rahmen der Bonn Challenge dazu, 66.000 Hektar Land wiederherzustellen, und hat bereits 90.000 Hektar wiederhergestellt. 1.000 Hektar dieser Fläche werden durch die Schaffung von ökologischen Korridoren direkt zum Schutz bedrohter Arten beitragen. Damit wird der Zustand bestehender Lebensräume verbessert und der zusätzliche Druck auf wildlebende Arten verringert.

In Ghana werden derzeit 600.000 Hektar Land Wiederherstellungsmaßnahmen unterzogen, wobei der Schwerpunkt auf Landesteilen liegt, die ein hohes Maß an Armut aufweisen, stark geschädigt und am anfälligsten für die Auswirkungen des Klimawandels sind. Ghana stützt sich auf Agroforstwirtschaft, natürliche Regenerierung, die Aufforstung von Mangroven und den Schutz von Wassereinzugsgebieten, um seine Verpflichtungen zur Wiederherstellung von zwei Millionen Hektar Land bis 2030 zu erfüllen. Das Land konnte bereits von diesen Maßnahmen profitieren, vor allem beim Aufbau einer Green Economy vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie, da diese Wiederherstellungsbemühungen Arbeitsplätze für lokale Gemeinschaften geschaffen haben und gleichzeitig über 30 Millionen Tonnen CO2 binden konnten.

In Mexiko haben die Wiederherstellungsprojekte einen enormen Nutzen für die Biodiversität geliefert, indem sie die Lebensraumkorridore in den Landschaften erweitert, die Bodengesundheit verbessert und wichtige Schutzgebiete für die Biodiversität geschaffen haben. Derzeit werden 5,2 Millionen Hektar Land wiederhergestellt und die Zusage von 8,4 Millionen Hektar scheint für Mexiko in greifbarer Nähe. Darüber hinaus wurden bereits 1,8 Millionen grüne Arbeitsplätze geschaffen.

Was das Barometer besonders auszeichnet, sind seine Auswirkungsindikatoren. Dank dieser Indikatoren werden Länder wie Tadschikistan, Ghana und Mexiko in die Lage versetzt, ihre politischen Rahmenbedingungen und institutionellen Vereinbarungen, tatsächlich für die Wiederherstellung eingesetzten Mittel, Planungsansätze für die Wiederherstellung, die zur Festlegung der Interventionen genutzt werden, sowie Überwachungssysteme, mit denen die Wirksamkeit der Bemühungen sichergestellt werden soll, nachzuverfolgen. Diese Informationen helfen uns, zu verstehen, was eine Wiederherstellung erfolgreich macht. So können wir die entsprechenden Maßnahmen ausweiten.

Restoration Barometer Report 2022 veröffentlicht

Aktuell hat IUCN  den Flagship-Bericht 2022 zum Restoration Barometer veröffentlicht, der die Fortschritte der jeweiligen Länder detailliert aufzeigt und bewährte Verfahren der Wiederherstellung identifiziert. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) unterstützt die Wiederherstellung von Ökosystemen, einschließlich einer glaubwürdigen und umfassenden Überwachung durch das Restoration Barometer, im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI). Dies bedeutet auch eine bessere Vorbereitung und Unterstützung für die jeweiligen Länder, wenn es darum geht, Ziele gemäß dem globalen Biodiversitätsrahmen für die Zeit nach 2020 festzulegen, Maßnahmen durchzuführen und deren Fortschritte zu verfolgen.

Dies sind nur einige Beispiele für die Möglichkeiten, die das Barometer bietet, um Länder und Organisationen aus dem privaten Sektor dazu zu befähigen, ein breites Spektrum an Vorteilen aus der Wiederherstellung anzustreben. Für den Zeitraum 2022 bis 2023 werden mehr als 20 Unternehmen und private Organisationen das Barometer für die Berichterstattung im Rahmen ihrer Verpflichtungen nutzen. 

Es scheint, dass die Zukunft des Barometers einen entscheidenden Wandel bringen wird. Da die weltweite Bewegung zur Wiederherstellung von Ökosystemen weiter an Dynamik gewinnt und immer mehr Unternehmen eine zuverlässige und vertrauenswürdige Methode zur Messung von Fortschritten suchen, ist das Restoration Barometer sehr gut geeignet, um Mitgliedstaaten sowie Organisationen aus dem privaten Sektor dabei zu unterstützen, ihre Fortschritte und deren Auswirkung auf die vereinbarten Ziele zu messen.

Hintergrundinformationen

Die Bedeutung von Landschaften und Meereslandschaften und ihre anhaltende Bedrohung durch eine Vielzahl an natürlichen und anthropogenen Faktoren hat zu hochrangigen politischen Reaktionen geführt. Im Jahr 2011 sagten Staats- und Regierungsverantwortliche im Rahmen der Bonn Challenge zu, bis 2020 150 Millionen Hektar Wald aufzuforsten. Diese Zahl wurde anlässlich der New York Erklärung zu Wäldern im Jahr 2014 mit der Zielsetzung bis 2030 auf 350 Millionen Hektar erhöht. Die Bonn Challenge (BC) hat regionale Ableger in Afrika (AFR100), Lateinamerika und der Karibik (Initiative 20x20) sowie in Europa, im Kaukasus und Zentralasien (ECCA30) hervorgebracht. Derzeit arbeiten mehr als 70 Unterstützerinnen und Unterstützer aus mehr als 60 Ländern daran, über 200 Millionen Hektar geschädigte und entwaldete Landflächen wiederherzustellen. 

Auf der Weltklimakonferenz COP26 betonten die Länder erneut den Wert der Wiederherstellung von Landschaften für den Umweltschutz. Die Glasgower Erklärung der Staats- und Regierungschefs zu Wäldern und zur Landnutzung beinhaltet die Verpflichtung, den globalen Waldverlust bis 2030 zu stoppen und umzukehren. Diese Erklärung wird derzeit von 140 Nationen unterstützt, von denen mehr als 60 auch schon im Rahmen der Bonn Challenge Zusagen gemacht haben. Auch die UN-Ozeankonferenz 2022 schloss mit einer bahnbrechenden politischen Erklärung zum Schutz der Weltmeere vor Verschmutzung, schädlichen Fischereipraktiken, dem Verlust der Biodiversität und Versauerung.

Derzeit findet der zweite Teil der 15. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD COP 15) in Montreal, Kanada statt. Dort verhandeln 196 Staaten, welche Ziele die Weltgemeinschaft bis 2030 und langfristig bis 2050 erreichen muss, um eine Trendwende hin zur Wiederherstellung der Natur einzuläuten. Die große Herausforderung besteht darin, einerseits ambitionierte und messbare Ziele für Schutz, Wiederherstellung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt zu verabschieden und andererseits deren Umsetzung, inklusive einer angemessenen Finanzierung, fest zu verankern.

Informationen zur CBD COP15 auf der Website des BMUV.

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Kontakt

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Stresemannstraße 69-71

10963 Berlin

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Wenn Sie für eine NGO arbeiten und mehr über das Tool erfahren möchten, senden Sie bitte eine E-Mail an das IUCN-Team: 

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