Interview: Rettung der Ursprungsregion des Kaffees
Mesfin Tekle (NABU) spricht über seine Erfahrungen mit gemeindebasiertem Umweltschutz in Äthiopien und über Kaffeeanbau.
Äthiopien gehört zu den global bedeutendsten Biodiversitäts-Hotspots und gilt als eines der artenreichsten Länder der Welt. Mesfin Tekle hat in Äthiopien im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft an einem Projekt gearbeitet, dessen Schwerpunkt auf der Erhaltung und Vermarktung von Waldkaffee lag. 2009 kam Tekle zum Naturschutzbund Deutschland (NABU). Zurzeit ist er Lokaler Projektkoordinator des IKI-Projekts „Gemeindebasierte Schutzkonzepte für die Ursprungsregion des Wildkaffees“. Das Projekt hat bisher 570 Hektar an degradierten Waldflächen wiederaufgeforstet und dazu mehr als 474.000 Setzlinge gepflanzt.
Das Kafa-Biosphärenreservat in Äthiopien gilt als Ursprungsregion des Arabica-Kaffees. Wie würden Sie die Region und die Herausforderungen, vor denen sie steht, beschreiben?
Die Kafa-Region ist reich an natürlichen Ressourcen: Mehr als 50 Prozent der Region sind bewaldet. Hier finden sich Bergnebelwälder, wilde Kaffeesträucher, Bambus und auch Flachlandwälder. Doch die Biodiversität der Region ist durch die Erderwärmung und den Klimawandel bedroht. Sowohl die Menschen als auch die Tiere und andere natürliche Ressourcen leiden unter der Kälte, die seit kurzem herrscht und die sie nicht gewohnt sind. Der Frost greift die Haut und die Lippen an und beeinträchtigt das Pflanzenwachstum, wodurch in einigen Teilen der Region Tiere sterben. Der Januar ist normalerweise der heißeste Monat in Äthiopien, doch in diesem Jahr wird es morgens und abends sehr kalt. Die Temperaturen fallen fast bis auf den Gefrierpunkt. Die Kälte macht den Menschen sehr zu schaffen, denn ihre Wohnungen, ihre Kleidung und die Agrarsysteme sind nicht an diese Witterungsbedingungen angepasst.
In dem Projekt haben Sie an gemeindebasierten Strategien für den Umweltschutz gearbeitet. Wie muss man sich das genau vorstellen?
Gemeindebasiert bedeutet, dass die Gemeinschaften sich eigenverantwortlich an dem Projekt beteiligen und unmittelbar davon profitieren. Das Projekt hat sich auf drei Komponenten konzentriert: erstens die Wiederherstellung der Wälder und Feuchtgebiete, in denen Menschen leben; zweitens die Bewertung von Produkten, die zur Einkommenserzielung oder zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen genutzt werden können; und drittens eine langfristige Investition in Wissen und ein besseres Verständnis des Klimawandels sowie die Herbeiführung einer veränderten Einstellung der Menschen, damit sie den Klimawandel verstehen und sich auf die Klimawandelfolgen einstellen beziehungsweise sich daran anpassen können.
Mit welchen Zielgruppen haben Sie gearbeitet?
Bei der Wiederaufforstung haben wir uns hauptsächlich auf degradierte Waldflächen konzentriert. Aus Sicht des Projekts haben wir die Waldnutzer beziehungsweise diejenigen in den Blick genommen, die Ansprüche auf die Waldflächen geltend machen. Dazu gehören die lokale indigene Bevölkerung, die das Gebiet gemeinschaftlich nutzt, die kommunalen Entscheider auf der untersten Verwaltungsebene, die an der Verwaltung der Flächen mitwirken, sowie die Region, die über Regionalbüros vertreten ist. Wir arbeiteten mit allen drei Akteuren. Außerdem beschäftigten wir Ranger. Dabei handelt es sich um ehemalige staatliche Entwicklungshelfer, die die Gemeinden mobilisieren. Sie wurden mit Unterstützung durch die örtliche Agrarbehörde ausgewählt. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, in den Gemeinden das Bewusstsein für die Bedeutung der Umwelt, der Biodiversität, des Kafa-Biosphärenreservats sowie die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel zu schärfen. Darüber hinaus werden sie in alle anderen Projektmaßnahmen im Projektgebiet eingebunden.
Welche Rolle hat die Regierung bei dem Projekt gespielt?
Die Regierung fördert die Einbeziehung der Menschen und beteiligt sich manchmal an der Umsetzung, beispielsweise bei der Identifizierung von entwaldeten Flächen. Es gibt so viele degradierte Waldgebiete, die wiederaufgeforstet werden müssten. Dabei arbeitet man am besten mit den untersten Verwaltungseinheiten beziehungsweise Regierungsstellen zusammen, um die Gebiete zu priorisieren. Außerdem akzeptieren die Gemeinden ein Projekt viel eher, wenn es vom Staat unterstützt wird.
Im Rahmen des Projekts haben Sie speziell die Belange von Frauen berücksichtigt. Was waren die Gründe dafür und wie sind Sie dabei vorgegangen?
Meiner Ansicht nach tragen Frauen in Haushalt und Gesellschaft häufig den Großteil der Verantwortung. Gleichzeitig werden sie von der Gesellschaft vernachlässigt. Sie sind nicht sichtbar, profitieren nur begrenzt von Fortschritten, haben wenige Möglichkeiten der Beteiligung und Teilhabe und können ihre Interessen nur eingeschränkt vertreten. Deshalb haben wir als partizipatorische Herangehensweise die traditionellen Kaffeezeremonien genutzt: Der Kaffee wird von Frauen serviert. Wenn Sie zu Besuch sind, so sind es die Frauen, die die Gäste bedienen und sich um sie kümmern. Deshalb haben wir hier angesetzt und in den Gesprächen, die während der Kaffeezeremonie geführt werden, Themen wie Umwelt, Entwicklung und Biodiversität angesprochen. Dadurch haben wir mit diesen Themen auch die Frauen erreicht und konnten Sie dazu einladen, sich zu beteiligen.
Wie ist es Ihnen gelungen, die Frauen an dem Projekt zu beteiligen?
Wir haben in drei Bereichen angesetzt, um die Frauen zu erreichen: Erstens in den Gärten, in denen vor allem Frauen Gewürz- und Heilpflanzen anbauen. Zweitens im Töpferhandwerk, denn traditionelle Töpferwaren werden meistens von Frauen hergestellt, von denen sehr viele Minderheiten angehören. Wir haben sie dabei unterstützt, die Qualität ihrer Töpferwaren zu verbessern. Und drittens haben wir mit Frauen an regionalen Agrarerzeugnissen gearbeitet – hauptsächlich wegen des Klimawandels. Die Frauen tragen die Hauptlast bei der Ernährung der Kinder und der Familien, und auch die Verantwortung für das Leben in der Dorfgemeinschaft liegt meistens bei ihnen. Wir haben deshalb mit ihnen gearbeitet, um festzustellen, welche Kulturpflanzen mit dem Klimawandel am besten zurechtkommen und in extremer Hitze und Kälte am besten gedeihen. Die Frauen wissen genau, welche Arten sich dafür besser eignen als andere. Sie haben sechs Kulturpflanzen ausgewählt. Fünf davon wurden von 184 Frauen getestet. Anschließend wurden die Ergebnisse des Versuchs an 256 andere Frauen im Projektgebiet weitergegeben, die an dem ersten Test nicht teilgenommen hatten. Inzwischen sind wir dabei, dieses Wissen in einem noch größeren Gebiet zu verbreiten. Dabei unterstützen uns die weiblichen Mitglieder der Distrikt [woreda]- und Dorfräte [kebele]. Darüber hinaus nutzen wir auch noch andere Kanäle der Wissensvermittlung.
Wie wurden die Massnahmen von den Frauen wahrgenommen?
Die Frauen waren zwar offen für die Projektmaßnahmen, standen aber sehr unter dem Einfluss von Männern. Im ländlichen Raum werden Entscheidungsprozesse nach wie vor von Männern dominiert. Deshalb haben wir wirtschaftliche und sicherheitsbezogene Themen, die Frauen wichtig sind, in die Debatte eingebracht. Außerdem haben wir die vorhandenen öffentlichen Programme genutzt. So fördert die Regierung die Teilhabe und Gleichberechtigung von Frauen beim Eigentumserwerb. Auf all diese Mechanismen haben wir zurückgegriffen, um die Frauen zu ermutigen und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, sich an den Projektmaßnahmen zu beteiligen.
Wie würden Sie die Wirkung des Projekts zusammenfassend beschreiben?
Ich denke, dass es uns gelungen ist, einen größeren Teil der Gesellschaft zu erreichen und Wissen über den Klimawandel zu vermitteln. Außerdem hat das Projekt die Menschen für die Klimawandelproblematik sensibilisiert und in die Lage versetzt, die immer stärker sichtbaren Folgen des Klimawandels zu mindern beziehungsweise sich daran anzupassen. Vor allem durch die Wiederaufforstung von Flächen hat das Projekt den Menschen gezeigt, dass sie degradierte natürliche Ressourcen und die entsprechenden Ökosystemdienstleistungen wiederherstellen können. Und last but not least sind wir ein Pilotgebiet: Viele Menschen aus anderen Regionen kommen zu uns, um von unseren Erfahrungen zu lernen.
Was hat Ihnen persönlich an diesem Projekt am meisten gefallen?
Ich persönlich fand es sehr positiv, dass die Menschen eine so intensive Verbindung zur Natur haben. Sie nutzen die Natur nicht nur, sondern machen sich auch Gedanken darüber, wie sie sie bewahren können. Außerdem wissen die Menschen, dass Zusammenarbeit und der Austausch von Ideen für die Zukunft einer Gemeinde von Vorteil sind.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Wir bereiten zurzeit die Übergabe einiger Maßnahmen an die Gemeinden vor; dies betrifft beispielsweise die Standorte, an denen Wiederaufforstungsmaßnahmen laufen. Außerdem wollen wir die Projektmaßnahmen und -ergebnisse auf andere Gebiete übertragen, um dadurch eine größere Wirkung zu erzielen. Wir wollen erreichen, dass die Projektmaßnahmen von der Regierung aufgegriffen werden. Dadurch wäre die Gesamtwirkung des Projekts noch größer.
Möchten Sie Ihren Ausführungen noch etwas hinzufügen?
Ja! Manchmal haben die Leute den Eindruck, dass die Distanz zwischen den Gebern und den Begünstigten eines Projekts enorm groß ist. Das war bei uns anders, denn die Menschen sind über das NABU-Projekt zu Deutschland in Kontakt getreten. Das Projekt hat bereits jetzt etwas bewegt. Obwohl wir in einem vergleichsweise kleinen Gebiet tätig waren, hat das Projekt auch Menschen in den angrenzenden Regionen erreicht. Sie kamen zu uns, um Erfahrungen mit uns auszutauschen. Außerdem haben wir im Projektgebiet inzwischen Saatgut für viele Kulturpflanzen, die in anderen Regionen selten werden. Die Menschen in unserer Region sind Deutschland dankbar. Dies ist keine Danksagung zwischen zwei Regierungen, sondern von Mensch zu Mensch.
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