Klimafreundlicher Kaffee zur Wiederaufforstung
Die IKI unterstützt in Äthiopien mit einem nachhaltigen Kaffeeprojekt die Wiederaufforstung eines Biosphärenreservats und verbessert gleichzeitig das Einkommen der lokalen Bevölkerung.
Über dem Dorf Hurumu im immergrünen Südwesten Äthiopiens geht die Sonne auf, und Aster Fekadu und ihre Familie stehen inmitten von Kaffeesetzlingen auf ihrer kleinen Farm in der Oromia-Region in Yayu. Der kleine landwirtschaftliche Betrieb liegt am äußeren Rand eines UNESCO-Biosphärenreservats für den bedrohten afro-montanen Wald, dessen 167.000 Hektar große Kernzone eine wichtige Kohlenstoffsenke ist und als genetischer Ursprung des Arabica-Kaffees gilt.
Äthiopien ist der größte Kaffeeproduzent Afrikas. Mehr als zwei Millionen kleinbäuerliche Familien tragen mit ihrem Kaffeeanbau zu etwa fünf Prozent des äthiopischen Bruttoinlandproduktes bei. Doch Kaffee ist in Äthiopien mehr als nur ein landwirtschaftliches Produkt.
Landwirtschaft als weltweite Ursache für Entwaldung
Weltweit ist die Ausdehnung landwirtschaftlicher Flächen eine der Haupttreiberinnen der Entwaldung. Auch im Südwesten Äthiopiens nimmt der Druck auf die verbleibenden Waldareale zu. In dieser Region sind es vor allem kleinbäuerliche Familien in der Übergangszone des Yayu-Biosphärenreservats, die die Potenziale ihrer bereits genutzten Flächen nicht voll ausschöpfen und ihre Flächen bis in die Kernzone ausweiten, in der eigentlich keine Landwirtschaft betrieben werden darf.
Der Kaffee wächst in der Übergangszone naturbelassen unter Schattenbäumen, die die Kaffeepflanzen vor zu viel Sonneneinstrahlung schützen, in teilbewaldeten Systemen (semi-forest) oder direkt bei den Wohnhäusern im sogenannten „Garden Coffee“-Anbau. Der Kaffee wird von den kleinbäuerlichen Familien angebaut, allerdings werden die Anbauflächen oft kaum bewirtschaftet. Gründe dafür sind unter anderem mangelnder Zugang zu Wissen und Ressourcen. Zum Teil sind auch die Kaffeebäume schon viele Jahre alt und nicht mehr ertragreich. Um die Erträge zu erhöhen, pflanzen die Familien nicht selten mehr Kaffeepflanzen an. Für deren Anbauflächen werden dann Schattenbäume gefällt.
Besonders wichtig sind auch die Wälder auf den Bergkuppen, da sie Niederschläge aufnehmen und so das Grundwasser und Bäche speisen. Sie sind ebenfalls von dem Vordringen der kleinbäuerlichen Betriebe und dem Klimawandel bedroht. Die Folgen sind ein Verlust an Biodiversität, Wasserreservoirs, CO2-Speicherpotenzial und eine Zerstörung des heterogenen Ökosystems, in dem der Kaffee wächst. Dabei birgt das Semi-Forest Kaffeeanbausystem eine höhere Widerstandsfähigkeit als andere Anbausysteme oder Monokulturen und dadurch gegenüber den Folgen des Klimawandels ein großes Potenzial – für die Wirtschaft und als wichtiger Beitrag zum Erhalt der Biodiversität und zum Schutz des Klimas. Der Schutz in dieser Region ist dabei besonders wichtig, denn er sichert die genetische Vielfalt des Kaffees und damit auch die Grundlage für unsere heutigen und zukünftigen Kaffeesorten.
Bessere Methoden für klimafreundlichen Kaffee
Das von der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) geförderte Projekt „Restoring degraded coffee landscapes“ setzt genau hier an. Es vermittelt den kleinbäuerlichen Familien agronomisches Wissen, um mit besserem, klimafreundlichem Kaffeeanbau und Weiterverarbeitungsmethoden ihren Ertrag und ihre Lebensbedingungen zu verbessern, ohne dabei weitere Flächen zu entwalden. Mit richtiger Bewirtschaftung der Bestände ist mindestens eine Verdopplung der Erträge möglich. Es können zudem weitere Schattenbäume als Windschutz oder natürliche Grundstückbegrenzung gepflanzt werden und so einen Beitrag zur Wiederaufforstung leisten und die Kaffeefarmen klimaresilienter machen.
Das IKI-Projekt läuft seit 2018 in Ko-Finanzierung mit der Lavazza Stiftung und mit der Hanns R. Neumann Stiftung (HRNS) als Projektumsetzungspartnerinnen in Äthiopien. Die HRNS besitzt als private Stiftung mehr als 15 Jahre Erfahrung in agronomischen Projekten in Kaffeeregionen und arbeitet in den Schwerpunkten Jugend, Farmerorganisationen, Klimawandel, familiäre Betriebsführung und Gleichberechtigung. Bisher erreichte das Projekt mit seinen Maßnahmen, die unter anderem Schulungen beinhalten, rund 2.000 kleinbäuerliche Kaffeeproduzentinnen und -produzenten und ihre Familien.
Auch Aster nahm an einer vom IKI-Projekt durchgeführten „Farmer Field School“ teil, da sie mit ihrem 1,6 Hektar großen Garden-Coffee-System Probleme hatte: Alte, zu dicht stehende und unbewirtschaftete Kaffeebäume brachten schlechte Erträge. Zunehmend spürte die Familie auch die Auswirkungen des Klimawandels durch ungewöhnliche Wetterereignisse oder neue Krankheiten an den Kaffeepflanzen. Zudem war die Familie kein Mitglied einer Farmerorganisation; dadurch hatte sie keinen Zugang zu Beratung, Wissen über Anbaumethoden, Finanzierung und anderen für eine moderne Landwirtschaft wesentlichen Dienstleistungen und konnte das Vermarktungspotential des Kaffees nicht voll ausnutzen.
Doch die Umstellung fiel Aster anfangs nicht leicht. Vor allem ihre Bäume auf Stock zu setzen, also bis auf den Stamm zurückzuschneiden, machte ihr Angst. „Ich sollte meine Kaffeebäume auf Stock setzen, was ich auf keinen Fall wollte. Dann kann ich nichts mehr ernten.“ Schließlich stimmte sie zu, die Methode erstmal bei einem Viertel der Bäume umzusetzen – aber nur, wenn die HRNS die Verantwortung übernehme, wenn sie nicht wieder austreiben. Sie wurde eines Besseren belehrt: „Meine Farm war voller alter Kaffeepflanzen, sie war für viele Jahre nur ein Stück Land – mit minimalem bis gar keinem Ertrag. Doch jetzt tragen die alten und schon absterbenden Bäume wieder Früchte. Ich bin zu einer Verfechterin des Aufstocksetzens und anderer landwirtschaftlichen Techniken wie Diversifizierung und Nutzung von Schattenbäumen geworden." Asters Familie produziert jetzt außerdem Kompost und stellt damit eigenen Dünger her. Bevor sie im Projekt über die Vorteile des Komposts aufgeklärt worden war, hatte sie geglaubt, dass er keinen Nutzen habe und reine Zeitverschwendung sei. Die Bilanz der verbesserten Anbaumethoden auf Asters Farm kann sich sehen lassen. Die Familie konnte ihre Kaffeeernte mehr als verdoppeln.
IKI-Projekt fördert Gleichberechtigung
Obwohl Aster zu Beginn skeptisch war, ist sie heute die treibende Kraft hinter dem wirtschaftlichen Erfolg der Familie. Über die Gleichberechtigungskomponente des Projekts hat die Familie gelernt, wie sie gemeinsam eine Vision für die familiäre Farm entwickeln und umsetzen kann. „Wir haben gelernt, uns gegenseitig Respekt und Verständnis entgegenzubringen und mehr zusammenzuarbeiten“, sagt Aster. Und ihr Mann Eshetu bestärkt sie. Er war es, der Aster ermutigte, die Verantwortung für die Neuausrichtung ihrer Familie zu übernehmen. „Ich bin der stolze Ehemann einer wundervollen, durchsetzungsfähigen und unabhängigen Frau“, sagt er und ergänzt: „Wir haben den tief verwurzelten kulturellen Einfluss und die Vorstellung überwunden, dass Frauen und Männer unterschiedliche Rollen haben sollten. Ich mache alles, was meine Frau tut, einschließlich Wasser holen, Brennholz sammeln und Kochen." Die Kaffeefarm ist bei Aster also Familiensache. Der ganze Haushalt hilft. Neben ihrem Mann unterstützt auch ihr Onkel Adissu. Auch die Kinder Kassahun und Engabu machen in ihrer Freizeit nach der Schule schon mal mit. Dass die beiden jetzt zur Schule gehen können, liegt auch am verbesserten und existenzsichernden Einkommen der Familie.
Farmerorganisationen für höhere Einkommen
Dennoch muss man festhalten, dass gesteigerte Erträge allein den kleinbäuerlichen Familien noch nicht ausreichen. Vielmehr müssen diese zu aktiven und starken Teilnehmenden der Kaffeewertschöpfungskette werden. Dazu arbeitet das IKI-Projekt mit neun regionalen Farmerorganisationen und einer Kaffeegenossenschaft zusammen und unterstützt diese in der Professionalisierung der Weiterverarbeitung, Lagerung und Vermarktung. Asters Familie ist Mitglied in der Farmerorganisation Lacosaya geworden. Dadurch ist Aster Teil der Gemeinschaft mit anderen Farmerfamilien und kann so nicht nur die wirtschaftlichen Strukturen, sondern auch die Einbindung junger Menschen und die Rolle der Frauen mitgestalten.
Vor allem aber kann Aster die größeren Erträge aus ihrer Kaffeefarm besser vermarkten. Und es eröffneten sich weitere Verdienstmöglichkeiten: „Wir haben einen großen Gemüsegarten im Hinterhof, wo auch der Mais wächst“, sagt Aster. „Was wir nicht konsumieren, verkaufen wir.“ Insgesamt verdiente die Familie im Produktionsjahr 2021/22 fast 6.000 Euro. „Wir haben eine ausgewogene Ernährung, können die Ausbildung unserer Kinder finanzieren und wieder in unsere Kaffeeproduktion investieren”, ergänzt Aster.
Baumschule für die Wiederaufforstung
Um nicht nur von Kaffee abhängig zu sein und auch einen Beitrag zur Bewaldung des Gebiets zu leisten, hat die Familie darüber hinaus eine Baumschule eröffnet. „So leisten wir unseren Beitrag zum Naturschutz und haben ein weiteres Einkommen“, sagt Aster. Insgesamt wurden in dem Projekt bisher 63 Baumschulen für Kaffeepflanzen und Schattenbäume gefördert. Die bisher 225.000 produzierten Kaffeesetzlinge unterstützen die benötigte Verjüngung der Kaffeefarmen durch Neupflanzungen. Aster selber hat mittlerweile rund 5.000 neue Kaffeebäume auf ihrem eigenen Grund gepflanzt. Alle sind Teil des künftigen Baumbestands im Yayu-Biosphärenreservat und tragen dazu bei, den Entwaldungs- und Degradationsdruck zu reduzieren.
Dazu sollen auch die tausenden kleinen Setzlinge beitragen, zwischen denen Aster an diesem Morgen steht und die einmal zu großen Kaffeepflanzen sowie Frucht- und Schattenbäume heranwachsen sollen.
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