20.05.2020

Landwirtschaft mit alternativen Bestäubern in Nordafrika

Feld mit Koriander und Sonnenblumen
Ein typisches FAP-Sommerfeld: Koriander und Sonnenblumen locken verschiedene Bestäuberinsekten an und erhöhen den ökologischen Wert der Fläche. Foto: Stefanie Christmann

Dr. Stefanie Christmann berichtet im Interview über das Konzept "Farming with Alternativ Pollinators" - über das sie auch einen Film produziert hat.

Die Organisation International Center for Agricultural Research in the Dry Areas (ICARDA) engagiert sich für den Schutz von Bestäuberinsekten in Nordafrika. Dr. Stefanie Christmann berichtet im Interview über ihre Arbeit für ICARDA - über die sie auch den Film "Gain Better Yields by Protecting Pollinators" produziert hat.

Worum geht es bei diesem Projekt?

Dr. Stefanie Christman: In Europa und den USA zielt das Konzept des „Bestäuberschutzes“ in erster Linie darauf ab, Bäuerinnen und Bauern dafür zu belohnen, dass sie Wildblumenstreifen anlegen. Diese Konzepte und Modelle sind jedoch für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu kostspielig. Deshalb habe ich vor etwa zehn Jahren ein neues, skalierbares Konzept für den Schutz von Bestäubern entwickelt, das ich „Farming with Alternative Pollinators (FAP)“ getauft habe, also „Landwirtschaft mit alternativen Bestäubern“.

Bei FAP setzen wir anstelle von Wildblumen marktfähige Pflanzen zur Verbesserung des Lebensraums ein, so dass die Bäuerinnen und Bauern auf der gesamten Ackerfläche produzieren können. FAP bietet der Landwirtschaft so die Möglichkeit für Einkommenssteigerungen - denn Quantität und Qualität der Nutzpflanzen steigen, während gleichzeitig der Bedarf an Chemikalien sinkt.

Wie funktioniert das Konzept genau?

Durch einen sektorübergreifenden Strategiemix wird das Konzept FAP breit verankert. Wir zeigen Bäuerinnen und Bauern, politischen Entscheiderinnen und Entscheidern, aber auch der Allgemeinbevölkerung, welchen Wert die Ökosystemdienstleistungen Bestäubung und Schädlingsbekämpfung haben. Wir vermitteln den Menschen, wie sie den Lebensraum von wilden Bestäubern artgerecht gestalten und durch eine kostengünstige Anpassung der derzeitigen Bewirtschaftungspraxis eine Win-Win-Situation für Bestäuber und Menschen erreichen können.

Was sind die größten Herausforderungen bei der Zusammenarbeit mit Bäuerinnen und Bauern?

Viele Landwirtinnen und Landwirte sehen in allen Insekten – mit Ausnahme der Honigbiene - potenzielle Schädlinge. Deshalb haben wir Fotos und Videos produziert, die wichtige Bestäuberinsekten zeigen. Diese Materialien werden von unseren Partnern an die Bäuerinnen und Bauern verteilt.

Am Anfang sind die Leute skeptisch und unsicher, ob es realistisch ist, das eigene Einkommen durch Streifen von Koriander, Okra, Sonnenblumen oder Anis zu steigern. Doch dann sehen sie die Vorteile, die FAP ihnen bringt: Die Produktivität und die Qualität der Ernte steigen – ebenso die Zahl der wilden Bestäuber. Das ist der Punkt, an dem das Interesse am Projekt so richtig beginnt.

Stefanie Christmann und ein marokkanischer Landwirt auf seinem ersten FAP-Feld. Foto: Patrick Lhomme

Die Menschen sind sich nicht bewusst, wie schnell und wie dramatisch das Verschwinden von wilden Bestäubern die Lebensgrundlagen ganzer Länder beeinträchtigen kann. In unserem Video erkläre ich, welche Auswirkungen diese Entwicklung hat, wie sie sich aufhalten lässt und welche Vorteile der Schutz von wilden Bestäubern auch für andere Sektoren bietet. Das Video können wir auch im Dialog mit politischen Entscheiderinnen und Entscheidern einsetzen, und es kann helfen, Überzeugungsarbeit zu leisten.

Was sind die herausragenden Leistungen des Projekts?

Marokko ist am 10. Mai 2019 als erstes arabisches Land der sogenannten „Koalition der Willigen” beigetreten, die den Bestäuberschutz voranbringen will. Derzeit arbeitet das Land an einer nationalen Strategie und einem Aktionsplan, der sich auch in Ländern mit niedrigem Einkommen auf breiter Basis umsetzen lässt. Mit FAP haben wir einen starken Anstieg des Nettoeinkommens pro Flächeneinheit erreicht - und eine bemerkenswerte Verringerung des Schädlingsaufkommens. So ist auch der Bedarf an Schädlingsbekämpfungsmitteln auf FAP-Feldern gesunken.

Warum haben Sie sich dafür entschieden, das Projekt in dieser Region durchzuführen?

Die Länder, die im Süden und Osten an das Mittelmeer grenzen, haben ähnliche Landschaften und eine vergleichbar strukturierte Landwirtschaft, so dass die Erfahrungen, die in einem Land gesammelt werden, von anderen Ländern mit nur geringem Aufwand übernommen und angepasst werden können. Vor allem Marokko und die Türkei sind durch eine hohe Biodiversität gekennzeichnet. Wichtig ist aber, dass das FAP-Konzept sich für alle Länder der Welt eignet.

Zum Abschluss des Interviews – was ist Ihre wichtigste Botschaft für die Leserinnen und Leser zum Thema Bestäuberschutz?

Schauen Sie sich unser Video an und werben Sie für FAP, beginnen Sie mit der Umsetzung des FAP-Konzepts in Ihrem Land. Durch den Schutz wilder Bestäuber kann jedes Land viel für seine Bevölkerung erreichen und Hoffnung verbreiten – auch und gerade in dieser durch die Corona-Pandemie so schwierigen Zeit. Unsere Anfälligkeit für das Virus zeigt, wie wichtig es ist, langfristig und in vielerlei Hinsicht Resilienz aufzubauen. Wenn wir die Bestäuber schützen, stärken wir auch die Resilienz unseres Landes gegenüber den Folgen des Klimawandels.

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Kontakt

IKI Office
Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH
Stresemannstraße 69-71

10963 Berlin

iki-office@z-u-g.org

Videos zum Projekt

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