„Lokale Probleme löst man am besten mit lokalen Ansätzen“

Interview mit Dr. Sarah Akello, Dozentin an der Hochschule für Landwirtschaft und Umweltwissenschaften an der Makerere Universität in Uganda.
Projekte zum Schutz von Klima und Biodiversität sind erfolgreicher, nachhaltiger und gerechter, wenn konkrete Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit in die Ziele und die Umsetzung eingebettet sind. Beim IKI Brown Bag Lunch im Oktober 2022 teilten drei Frauen Erfahrungen dazu aus ihrer täglichen Arbeit. Dr. Sarah Akello war eine von ihnen: Sie verfügt über umfangreiche praktische Erfahrungen in der Bewirtschaftung und Verwaltung natürlicher Ressourcen. Zudem ist sie Vorsitzende der Jane-Kidi Memorial Baumpflanzgruppe . Diese Basisorganisation konzentriert sich auf grüne, alternative Einkommensquellen für den Lebensunterhalt.
Was ist Ihre persönliche Motivation, die Jane-Kidi Memorial Baumpflanzgruppe zu leiten?
Es ist der Wunsch, in meiner Gemeinschaft ein grundlegendes Verständnis für die Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels zu entwickeln. Für lokale Probleme gibt es meist auch lokale Lösungsansätze, und mir ist es sehr wichtig, solche Ansätze und andere nachhaltige Maßnahmen zu fördern. Und schließlich ist es mein Anliegen, durch den Anbau von Obstbäumen zum Wohlergehen meiner Gemeinschaft beizutragen. Was mich dabei motiviert, ist nicht nur der Gedanke, die Ernährung der Gemeinschaft zu sichern, sondern auch, alternative Einkommensquellen zu erschließen und gleichzeitig die Umwelt zu schützen.
Können Sie ein Beispiel dafür nennen, wie Ihre Arbeit zur Bekämpfung des Klimawandels beiträgt?
Das Projekt mit den Baumsetzlingen dient der Aufforstung der Landschaft, und der Verkauf der Setzlinge dient wiederum dazu, durch den Aufbau einer qualitativ hochwertigen Baumschule Einkünfte zu erzielen. Seit 2011 hat die Gemeinschaft erfolgreich mehr als 200.000 Bäume verschiedener einheimischer und exotischer Arten gepflanzt. Diese Bäume wurden so angepflanzt, dass der sozioökonomische und ökologische Wert der Landschaft gewahrt bleibt. All dies leistet einen Beitrag zum Schutz vor den Folgen des Klimawandels, zu denen unter anderem hohe Temperaturen und Überschwemmungen zählen.
Können Sie ein Beispiel für die strukturellen Herausforderungen im Kampf für die Geschlechtergerechtigkeit in der Jane-Kidi Memorial Baumpflanzgruppe nennen?
In Uganda existieren vier Systeme des Landbesitzes: Das Mailo-Land (das der Königin/dem König gehört), das Pachtland, der freie Grundbesitz und der Landbesitz, der auf Gewohnheitsrecht (von den Vorfahren geerbt) beruht. Daran ist die Gemeinschaft, mit der ich arbeite, gebunden. Das Land gehört den Männern, und daher entscheiden sie darüber, wo und wie welche Bäume gepflanzt werden. Das ist definitiv eine Herausforderung! In der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung sind die Frauen für den Betrieb der Baumschule verantwortlich, während sich die Männer um die Vorbereitung des Bodens und die Gestaltung des Waldes kümmern. Beim Verkauf von Forstprodukten werden die Frauen an den Rand gedrängt, weil die Männer zum Zeitpunkt der Ernte die volle Verantwortung für die Ernte und den Verkauf von Waldprodukten übernehmen. Den Frauen überlassen sie lediglich die Handhabung der verbleibenden Forstprodukte.
Gibt es geschlechtsspezifische Stereotypen beim Verkauf von Forstprodukten?
Oh ja! Frauen neigen eher dazu, Produkte wie Brennholz, Holzkohle, Kräutermedizin, Früchte, Materialien für Kunsthandwerk, Samen und Öle – zum Beispiel Sheabutter – in kleinen Mengen zu verkaufen, während die Männer mehr an Produkten wie Holz, Holzpfosten und manchmal auch Holzkohle, die mehr Geld einbringen, interessiert sind. Unsere Kultur diktiert, dass Männer das Familienoberhaupt sind und daher zumeist die wichtigen Entscheidungen treffen.
Worin besteht der besondere Beitrag von Frauen und Männern bei der Reduzierung von Treibhausgasen?
Meiner Meinung nach sind Frauen engagierter und leisten einen höheren Beitrag als Männer. Mithilfe von Tänzen und Theaterstücken sensibilisieren sie andere Gemeinschaftsmitglieder für die Themen rund um den Klimawandel, und sie beteiligen sich an den Baumpflanzprogrammen. Sie stellen ihre Arbeitskraft in den Dienst der Baumschule und unterstützen auch den Verkauf von Setzlingen als alternative Einkommensquelle. Durch das Pflanzen der Setzlinge auf ihren Feldern verringern sie den Druck der Entwaldung und schützen so die Wälder. Frauen wenden außerdem Technologien zum Schutz und Erhalt von Boden und Wasser an und verringern so - in kleinem Maßstab - die Emission von Treibhausgasen. Alternative Einkommensformen wie der Kleinhandel verringern außerdem den Druck auf die Wassereinzugsgebiete und die Umwelt.
Durch die Sensibilisierung sind die Männer auch in der Lage, ihren Kolleginnen und Kollegen zu vermitteln, wie sie die Auswirkungen des Klimawandels verringern können. Männer engagieren sich in der klimafreundlichen Landwirtschaft, dem Mulchen und der Agroforstwirtschaft. Sie pflanzen ebenfalls Bäume – denken Sie daran, dass das Land letztendlich ihnen gehört. Daher ist es ein immenser Beitrag, wenn sie ihren Frauen das Land zum Anpflanzen von Bäumen zur Verfügung stellen.
Was können Männer tun, um für Geschlechter- und Klimagerechtigkeit zu kämpfen?
Bei jedem Projekt zur Unterstützung von Frauen, müssen Männer Teil der Diskussion sein, weil sie die Entscheidungen treffen und im Besitz der Ressourcen sind. Wenn sich die Männer beteiligen, verschafft uns das einen Hebel, um Themen wie Klimawandel, Inklusion und Diversität unter Einbeziehung aller Menschen, gleich welcher ethnischen Zugehörigkeit, anzugehen. Männer sollten Frauen an den Entscheidungsprozessen beteiligen. Lassen Sie uns hier jetzt nicht auf die Probleme eingehen, dass Frauen aufgrund der schieren Präsenz von Männern an den Rand gedrängt werden. Vielmehr gilt es, die Männer einzubeziehen, um die Fragen zu diskutieren: Wie können wir etwas gemeinsam erreichen? Kann dies etwas zur Entwicklung der Haushalte beitragen? Der Klimawandel wirkt sich auf alle Lebewesen aus. Frauen sollten in verschiedenen Bereichen – auch in der Bildung – gestärkt werden, ebenso sollten sie ihren Ehemännern Informationen so übermitteln können, dass keine unnötigen Spannungen oder Konflikte verursacht werden.
Wissen Sie, ob sich Mitglieder der LGBTQI*-Gemeinschaft für Geschlechter- und Klimagerechtigkeit engagieren?
Die Auswirkungen des Klimawandels sind übergreifend und wirken sich auf uns alle aus. Daher diskriminiert die Jane-Kidi Memorial Baumpflanzgruppe niemanden und es steht jedem frei, Aktivitäten zu unterstützen, die dazu beitragen, die Auswirkungen des Klimawandels – in Uganda und auf der ganzen Welt – zu verringern. Eine der besten Strategien wäre es, die Mobilisierung aller Gruppenmitglieder zu unterstützen und sich auf Aktivitäten wie das Pflanzen von Bäumen und die Erhaltung des Gemeinschaftswaldes zu konzentrieren. Damit würden wir den Mitgliedern der Gemeinschaft gleichzeitig Möglichkeiten zur Verbesserung ihres Lebensunterhalts bieten. Die breitere gesellschaftliche Akzeptanz der LGBTQI*-Gemeinschaft ist jedoch innerhalb der lokalen Gemeinschaften kein besonders großes Diskussionsthema.
Was möchten Sie den Menschen, die in internationalen Klimaschutzinitiativen arbeiten, noch mit auf den Weg geben?
Die internationalen Klimaschutzinitiativen sollten sich stärker für Basisbewegungen engagieren! Die Antworten und Maßnahmen zur Bewältigung der Probleme des Klimawandels kommen direkt von der Basis. Geben Sie lokalen Gemeinschaften ausreichend Unterstützung und überwachen Sie anschließend deren Fortschritte. So nutzt die Jane-Kidi Memorial Baumpflanzgruppe beispielsweise einen Lösungsansatz „von unten nach oben“ für die Verwaltung ihrer Organisation. Diese Organisation wurde von Mitgliedern der Gemeinschaft initiiert, aufgebaut und gehört diesen daher auch. Sie sind mit Leidenschaft dabei, daher ist auch die Nachhaltigkeit gewährleistet. Anstatt Millionen von Dollar für teure Hotels, Workshops und Konferenzen auszugeben, würde ich daher raten, das Geld dort zu investieren, wo Maßnahmen zur Verringerung der Auswirkungen des Klimawandels stattfinden und angegangen werden. Das ist meine Meinung dazu.
[Das Interview führte Kim Naser, Projektmanagerin der Internationale Klimaschutz Initiative bei der Zukunft-Umwelt-Gesellschaft gGmbh]
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03/ 2020 | Bericht
Gender and NDCs: Country Progress and Key Findings
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